Wege aus der Schmerzspirale:
Psychologisch-Homöopathische Schmerztherapie

von

Tunnel mit Blick ins Licht
Der Weg aus der Schmerzspirale erfolgt über drei Etappen: verstehen, annehmen und loslassen.

Die Psychologisch-Homöopathische Schmerztherapie vereint die Vorzüge der Klassischen Homöopathie mit denen der Verhaltenstherapie. Sie beginnt mit einer mehrstündigen Anamnese und der Verordnung eines homöopathischen Mittels, gefolgt von einer verhaltensorientierten ganzheitlichen Schmerztherapie.

Da sich chronische Schmerzen oft nicht beseitigen lassen, besteht das vorrangige Ziel der Psychologisch-Homöopathischen Schmerztherapie in einer deutlichen Linderung der Schmerzen sowie aller anderen Beschwerden, unter denen der Patient aktuell leidet. Begleitend werden in regelmäßigen Abständen verhaltenstherapeutische Sitzungen durchgeführt, bei denen der Umgang mit dem Schmerz und seine Bedeutung für den Patienten im Mittelpunkt stehen. Der Weg aus der Schmerzspirale erfolgt über drei Etappen: verstehen, annehmen und loslassen.

Verstehen

Menschen mit anhaltenden Schmerzen haben oft eine jahrelange Therapeutenodyssee hinter sich. Dabei dominieren vier Fragen: Was habe ich? Wie schlimm ist es? Woher kommt es? Was kann man dagegen tun? Das Fatale chronischer Schmerzen ist, dass sie sich zwar einer bestimmten Körperregion zuordnen lassen, in der sie wahrgenommen werden, jedoch ohne daraus Rückschlüsse bezüglich ihrer Ursache ableiten zu können. Und selbst, wenn die Causa auf der Hand liegt, wie bei Tumorschmerzen, heißt das noch lange nicht, dass sich die Schmerzen dauerhaft beheben lassen. Gerade im Falle degenerativer Erkrankungen oder bei fortgeschrittenen destruktiven Prozessen ist es oft nicht möglich, die Schmerzen vollständig zum Schweigen zu bringen. Sogar die Beseitigung der Ursache stellt noch keine Garantie für Schmerzfreiheit dar, wie man am Beispiel der Phantomschmerzen sehen kann. Auch wenn es Medikamente gibt, die dazu beitragen, den Schmerz zeitweise zu lindern, kann es doch erforderlich sein, ein Leben mit Schmerzen zu akzeptieren und nicht permanent gegen sie anzukämpfen. Die Verhaltenstherapie verfügt über Akzeptanzstrategien, mit deren Hilfe es möglich ist, trotz chronischer Schmerzen ein erfülltes Leben zu führen. Mit Akzeptanz ist nicht Resignation gemeint, sondern das aktive Annehmen einer Situation, die sich zum gegebenen Zeitpunkt nicht ändern lässt. Es ist nicht sinnvoll, alle Hoffnungen auf ein bestimmtes Heilmittel oder einen Therapeuten zu setzen. Vielmehr ist es wichtig, daran zu arbeiten, dass das Leben auch mit Schmerz erträglich, im Idealfall wertvoll bleibt.

Zu Beginn der verhaltenstherapeutischen Behandlung erfährt der Patient, wie chronische Schmerzen entstehen. Was sich in seinem Körper abspielt, wenn er Schmerzen empfindet und warum der Schmerz nicht mehr aufhört oder immer wiederkommt. Nach diesen grundsätzlichen Erklärungen wird die persönliche Situation in aller Ruhe besprochen. Dafür steht so viel Zeit zur Verfügung, wie der Betroffene braucht, um sein persönliches Problem zu schildern und die Hintergründe der Schmerzentstehung zu verstehen. Für eine erfolgreiche Therapie ist es wichtig, dass der Patient nachvollziehen kann, warum sein Körper diese Schmerzen hervorgebracht hat bzw. immer noch hervorbringt. Folgende Fragen werden dabei erörtert: Wie und wann ist der Schmerz erstmals aufgetreten? Gibt es einen Auslöser? Wie äußert sich der Schmerz? Welche Begleitsymptome gehen mit dem Schmerz einher? Welche Rolle spielt die Psyche? Steht der Patient unter Dauerstress? Gibt es ungelöste Konflikte, unter denen er leidet? Hat der Schmerz eine Stellvertreterfunktion? Welche Botschaft könnte er übermitteln? Da chronische Schmerzen nicht unbedingt anhaltend sein müssen, oft treten sie ohne Vorankündigung auf, ist die Angst vor dem Schmerz mitunter quälender als der Schmerz selbst. Auch daran wird aktiv gearbeitet.

Annehmen

Typische Gedanken von Patienten mit chronischen Schmerzen sind: Nicht schon wieder! Muss das sein? Warum gerade ich? Diese gehen häufig mit negativen Gefühlen wie Wut, Ärger und Verzweiflung einher. Akzeptanzstrategien tragen dazu bei, sich mit dem persönlichen Schicksal auszusöhnen, den Schmerz anzunehmen und trotz anhaltender oder wiederkehrender Schmerzen aktiv am Leben teilzuhaben, sich nicht vollständig zurückzuziehen. Einige Ansätze (Zarbock, G.: Praxisbuch Verhaltenstherapie, S. 405 ff. ) haben sich aus Sicht der Verhaltenstherapie zur Akzeptanz des Unausweichlichen bewährt und können auf den Umgang mit chronischen Schmerzen übertragen werden: Akzeptanz durch den Vergleich mit anderen, denen es schlechter geht; Akzeptanz durch die Erkenntnis, dass ein Leben ohne Schmerzen nicht möglich ist; Akzeptanz durch Annehmen der Situation als Lebensaufgabe; Akzeptanz durch Kapitulation, um die vorhandenen Lebenschancen zu nutzen; Akzeptanz als Experiment mit dem Ziel, seinen Aktionsradius trotz der Schmerzen schrittweise zu erweitern; Akzeptanz als Trauerarbeit zur Verarbeitung körperlicher Veränderungen und Einschränkungen sowie Akzeptanz durch Vorhersage von Schmerzen, auf die man sich einstellen kann. Letzteres funktioniert nur, wenn es einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt. Sobald der Schmerz aus dem Nichts und ohne Vorwarnung auftritt, regiert oft die Angst vor dem Schmerz. In diesem Fall wird am Umgang mit der Angst gearbeitet.

Loslassen

Wenn der Patient begriffen hat, wie seine Schmerzen entstanden sind, in welchem psycho-sozialen Kontext sie stehen, kann er sie als individuelle Reaktion seines Organismus annehmen. Erst, wenn der Patient dazu bereit ist, sich auf die Sprache seines Körpers einzulassen, sich im positiven Sinne mit dem Schmerz auseinanderzusetzen, kann er ihn ziehen lassen. Solange er sich im Kriegszustand mit seinem Körper befindet, liegt der Fokus auf dem täglichen Kampf mit oder gegen den Schmerz. Gerade chronische Schmerzen werden sehr individuell wahrgenommen und stehen oft in keinem direkten Verhältnis zur Stärke der Gewebeschädigung. Aus diesem Grund trägt die innere Einstellung maßgeblich dazu bei, als wie heftig Schmerzen empfunden werden. Das Loslassen der Schmerzen ist das Ergebnis einer gelungenen Schmerztherapie.

Homöopathie Behandlung

Viele Patienten, die sich für die Homöopathie entscheiden, gelten schulmedizinisch als austherapiert. Beim Erstkontakt hört man Sätze wie „Sie sind meine letzte Hoffnung!“ oder „Wenn Sie mir nicht helfen können, weiß ich nicht weiter!“. Da sitzen Menschen vor einem, die den Eindruck von Ertrinkenden machen, die sich verzweifelt an einem Stück Holz festklammern, das im aufgewühlten Ozean treibt. Das erzeugt Druck. Und Druck ist keine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Homöopathie ist eine wunderbare, ganzheitliche Methode, die im günstigsten Fall heilen, zumindest aber lindern kann. Voraussetzung ist, dass sich das passende Mittel (Simillimum) zeigt. Dazu braucht es vor allem Zeit und Geduld. Das sind Qualitäten, die einem „Ertrinkenden“ nicht zur Verfügung stehen. Je nachdem, wie undurchsichtig die Situation ist und wie viele Therapien ein Patient bereits absolviert hat, kann es durchaus sein, dass einige Monate, manchmal sogar Jahre vergehen, bis ein Mittel greift. Der Vorteil der Homöopathie ist: Wenn das Simillimum gefunden wurde, erfährt der Patient Heilung auf allen Ebenen. Davon zeugen viele positive Beispiele.

Anamnese und Verordnung

Im Zustand völliger Verzweiflung und Dekompensation oder auch gefasst und beherrscht erzählt der Patient seine Leidensgeschichte im Rahmen einer homöopathischen Anamnese. Diese dauert in der Regel zwei bis drei Stunden. Dabei übernimmt der Patient die Regie über den Verlauf des Gesprächs. Im Idealfall gelingt es, bis zur Wurzel der Problematik vorzudringen, das Unterbewusstsein zum Sprechen zu bringen. Menschen, die mit dieser Methode (Ich arbeite in der Praxis nach der Sensation-Methode Rajan Sankarans unter Einbeziehung des Evolutionsmodells von Mahesh Gandhi) noch nicht vertraut sind, tun sich am Anfang oft schwer, und es braucht einige Sitzungen, bis sie sich auf diese tiefe Art der Anamnese einlassen können. Sobald die zentrale Empfindung des Patienten und der Kern des Problems deutlich sind, besteht der nächste Schritt darin, beides in ein homöopathisches Mittel zu übersetzen. Dieses wird in der Regel in einer Hochpotenz verordnet: C200 oder C1000, zunächst als Einmalgabe. Der Patient wird mit der Bitte entlassen, alle Veränderungen aufmerksam zu beobachten und in einem Therapietagebuch niederzuschreiben.

Folgekonsultationen

Nach rund vier Wochen findet die erste Folgekonsultation (Follow-up) statt. Das Mittel hatte einen Monat Zeit, um zu wirken. Der Patient wird gebeten, über alle Veränderungen und Auffälligkeiten der vergangenen Wochen zu berichten. Das Augenmerk richtet sich dabei sowohl auf die körperliche als auch auf die seelische Ebene. Anhand der persönlichen Ausführungen des Patienten wird über das weitere Vorgehen entschieden. Lässt sich der Verlauf positiv an, wartet man erst einmal ab und lässt das Mittel weiter wirken. Gab es eine anfängliche, aber nicht anhaltende Besserung, wird das Mittel in der gleichen Potenz wiederholt. Hat der Patient keinerlei Veränderungen an sich wahrgenommen – weder positive noch negative – muss über ein neues Mittel nachgedacht werden. Das gleiche gilt, wenn sich die Beschwerden zunächst verschlechtert haben, um sich dann wieder in den Ursprungszustand einzupendeln.  Je nach Verlauf werden die Follow-ups in kürzeren oder längeren Abständen vereinbart.

Verhaltensorientierte Schmerztherapie

Für die Arzneimittelfindung ist es hilfreich, wenn der Patient dekompensiert ist, weil er seiner zentralen Empfindung dann am nächsten ist. Für den Umgang mit den Schmerzen ist dieser Zustand allerdings hinderlich. Solange sich der Betroffene wie ein Ertrinkender fühlt, der seinen Schmerzen hilflos ausgeliefert ist, kann er sein Leben nicht in die Hand nehmen. Insofern dient die Verhaltenstherapie dazu, den Patienten aus der passiven Opferrolle in die Aktivität zu bringen. Schritt für Schritt lernt er, sein Leben trotz und mit den Schmerzen aktiv zu gestalten, sodass er die Zeitspanne, bis das homöopathische Mittel greift, selbstwirksam erlebt. Die zweigleisige Vorgehensweise aus Homöopathie und Verhaltenstherapie reduziert den Erfolgsdruck, der auf der homöopathischen Behandlung lastet, erheblich. Zudem wird verhindert, dass sich der Patient in emotionale Abhängigkeit zum Therapeuten und dessen Fähigkeiten begibt.

Bei der begleitenden Verhaltenstherapie handelt es sich nicht um ein standardisiertes Vorgehen. Vielmehr wird ein individuelles Therapiekonzept erstellt, an dem der Patient aktiv mitarbeitet. Es enthält nur solche Elemente, die sich in den Alltag des Patienten integrieren lassen und die er freiwillig und gerne durchführt. Nur wer das Gefühl hat, den Schmerz aus eigener Kraft überwunden zu haben, muss keine Angst vor seinem neuerlichen Auftreten haben.

Angst ist ein zentrales Thema in der Schmerztherapie. Gerade bei häufig wiederkehrende Schmerzen oder Schmerzen, die sich durch bestimmte Tätigkeiten verstärken, leben viele Patienten mit der ständigen Befürchtung, Schmerzen auszulösen oder zu verschlimmern. Ohnmächtige Angst ist nicht nur ein destruktives Gefühl, sie führt auch zu Anspannung. Diese wiederum sorgt dafür, dass sich der Muskeltonus erhöht und zu schmerzhaften Verspannungen beiträgt. Die Folge sind anhaltende oder rezidivierende Kopf- oder Muskelschmerzen. Zudem bindet chronische Angst wertvolle Ressourcen, verengt die Wahrnehmung und führt zum Tunnelblick. Damit verhindert sie konstruktive Lösungen. Latente Angst bedeutet Dystress und ist ein Energieräuber. Im negativsten Fall verharrt der Patient aus Angst vor der nächsten Schmerzattacke in innerlicher Erstarrung, wie das sprichwörtliche „Kaninchen vor der Schlange“. In der verhaltensorientierten Schmerztherapie wird konstruktiv mit der Angst gearbeitet. Das Ziel dabei ist es, dass sich der Patient aktiv mit seinen Ängsten auseinandersetzt. Positive Einflussnahme auf das eigene Leben bedeutet Selbstwirksamkeit. Sie wirkt schmerz- und angstlindernd. Ohnmacht dagegen verstärkt die Beschwerden.

Ein anderes Themenfeld, das immer wieder zur Sprache kommt, ist die Funktion chronischer Schmerzen. Die meisten Patienten fragen sich, was ihnen ihr Körper durch die Schmerzen mitteilen will. Sie möchten ihren Körper verstehen, ihm das geben, was er braucht. Leider haben vor allem  chronische Schmerzen selten nur eine Ursache. Eins kommt zum anderen, und irgendwann läuft das Fass über. Chronische Rückenschmerzen beispielsweise sind recht komplex und schwer behandelbar. Sie können zahlreiche Auslöser haben oder die Folge eines ganzen Ursachenbündels sein. Oft gibt es sowohl körperliche als auch seelische Anteile. Auch darauf muss die Schmerztherapie eingehen. Stehen Angst und Anspannung im Vordergrund, werden Entspannungsübungen wie Achtsamkeitsmeditation (MBSR) und Imaginationsreisen empfohlen. Hat der Patient Schmerzen, weil er sich im Alltag überfordert, geht es darum, Strategien zur Entlastung zu entwickeln.

Das Ziel der Psychologisch-Homöopathischen Schmerztherapie ist es, ein gutes homöopathisches Mittel für den Patienten zu finden, das ihm sowohl akut als auch langfristig hilft, mit seinen Schmerzen umzugehen. Ferner geht es darum, den Patienten für Funktion und Bedeutung seiner Schmerzen zu sensibilisieren, die persönlichen Reaktionsmuster offenzulegen und eine tragfähige Zukunftsperspektive zu entwickeln. Er soll lernen, mehr auf sich und seine Bedürfnisse zu achten, sich wertzuschätzen, seine Wünsche zu artikulieren, rechtzeitig um Unterstützung zu bitten und sich das zuzugestehen, was er für sein Wohlbefinden braucht. Ein zentrales Anliegen der Schmerztherapie ist es, einen Zugang zu sich und den eigenen Bedürfnissen zu finden – achtsamer mit sich umzugehen. Die vollständige oder zumindest teilweise Beseitigung der körperlichen Schmerzen erfolgt oft erst in einem weiteren Schritt.

Literatur

  • Butler, D. / Moseley, L.: Schmerzen verstehen. Springer Verlag. Berlin / Heidelberg, 2009
  • Gadamer, H.-G.: Schmerz. Einschätzungen aus medizinischer, philosophischer und therapeutischer Sicht. Universitätsverlag Winter. Heidelberg, 2010
  • Gardner-Nix, J. / Costin-Hall, L.: Der achtsame Weg durch den Schmerz. Arbor Verlag. Freiburg, 2012
  • Zarbock, G.: Praxisbuch Verhaltenstherapie. Papst Science Publishers. Lengerich, 2017
  • Zimmermann, D.: Wege aus der Schmerzspirale. mvg-Verlag. München, 2020